Das Gespräch eröffnen

Hier ist eine Checkliste, die dir dabei helfen wird, einer Person, die du unterstützen möchtest, empathisch, respektvoll und sensibel zu begegnen.

Frontlines Gesprächsleitfaden

Ich bin die beste Person, um dieses Gespräch zu führen, wenn ...

Falls keine dieser Optionen zutrifft, erwäge:

  • die Personalabteilung hinzuziehen.

  • eine Vertrauensbasis mit der Person zu etablieren.

Was ist mit dem:r Teamleiter:in?

In unseren Gesprächen mit Überlebenden häuslicher Gewalt zogen es die Meisten vor, von einer Person ihres Vertrauens oder alternativ von der Personalabteilung oder Arbeitskolleg:innen angesprochen zu werden. Ein:e Vorgesetzte:r wurde aufgrund von Angst vor negativen Auswirkungen auf die Karriere als die ungünstigste Option genannt.

Dies ist die beste Zeit und der beste Ort, um dieses Gespräch zu führen, wenn ...

Falls nicht alle diese Sachen zutreffen, erwäge:

  • den Ort zu wechseln, falls die Zeit passt.

  • einen neuen Termin an einem anderen Ort auszumachen.

Kann ich die Person am Arbeitsplatz ansprechen?

Der beste Ort ist niemals der Arbeitsplatz - und das aus vielen Gründen. Die Person könnte abgelenkt sein, sich nicht entspannen oder öffnen können und im schlimmsten Fall den Arbeitsplatz mit der Angst vor der Aufdeckung des Missbrauchs in Verbindung bringen. Daher empfehlen wir, wenn möglich, einen neutraleren Ort in der Nähe des Arbeitsplatz aufzusuchen. Das kann ein Café sein, eine Parkbank oder ein Spaziergang um den Block.

Was man beim Check in beachten sollte:
  • Stell offene Fragen, die sich auf das Wohlergehen der Person beziehen

    • "Wie geht's dir, wirklich?"

  • Sag keine Dinge, die Schuldzuweisungen oder Erwartungen andeuten könnten

    • "Wieso machst du nicht einfach Schluss?"

  • Erkenne den Mut an, den es benötigt, sich zu öffnen

    • "Danke, dass du mir das erzählst."

  • Triff keine vorschnellen Annahmen

    • "Sie zieht solche Typen einfach an."

    • "In diesen Kulturkreisen passiert das nun mal."

  • Hör zu und lass die Person ohne Unterbrechungen erzählen

  • Tu nicht die Erfahrungen der Personen ab

    • "Du interpretierst da zu viel hinein."

Und wenn es schief geht?

Die Person ist vielleicht (noch) nicht bereit, darüber zu sprechen, ist sich des Missbrauchs nicht bewusst oder erlebt gar keine häuslicher Gewalt. Was auch immer der Grund ist, wir empfehlen, den Leitfaden trotzdem bis zum Ende zu befolgen. Es ist besser, sich zu irren, als später festzustellen, dass man nicht früh genug reagiert hat. Denke daran, dass du das Gespräch aus Sorge um die Person angefangen hast.

Welche Zeichen von häuslicher Gewalt sind dir aufgefallen?

Wie hat sich der Missbrauch auf die Person ausgewirkt? Hast du eine Veränderung im Verhalten oder in den kognitiven Fähigkeiten der Person festgestellt? Wirkt sie distanzierter und weniger fröhlich?

Veränderungen in unserem eigenen Verhalten nehmen wir selten wahr. Als Unterstützer:in kannst du der betroffenen Person helfen, die Anzeichen von Missbrauch zu erkennen, d.h. wie der Missbrauch sie verändert hat.

Ein Beispiel könnte sein:

  • "Mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit sehr in dich gekehrt wirkst. Es wirkt, als hättest du nicht mehr so viel Spaß bei der Arbeit wie früher."

  • "Du kommst mit blauen Flecken zur Arbeit, die wirklich schlimm aussehen. Außerdem wirkst du oft sehr müde, manchmal sieht es aus, als hättest du Schwierigkeiten wach zu bleiben. Bekommst du genug Schlaf?"

Wieso das Verhalten des:r Täters:in erläutern?

Täter:innen von häuslicher Gewalt sind Expert:innen darin, die Wahrnehmung ihrer Opfer so zu verändern, dass die Opfer selbst nicht erkennen, dass sie misshandelt werden, auch wenn es für Außenstehende total offensichtlich wirkt.

Die Opfer wurden möglicherweise so manipuliert, dass sie glauben, die Misshandlung sei gerechtfertigt, normal, notwendig usw. Während der COVID-19-Pandemie wurde häusliche Gewalt als eine unsichtbare Pandemie bezeichnet. Für die meisten von uns ist das Zuhause ein sicherer Hafen. Für die Opfer von häuslicher Gewalt ist es die Hölle.

Zeig der betroffenen Person, dass du sie und den Missbrauch siehst. Es ist wichtig, dass du eine alternative Sichtweise aufzeigst.

Hier sind ein paar Beispiele:

  • “Er hat dich den ganzen Tag über mit Nachrichten bombardiert. Du scheinst nicht sehr erfreut darüber, wenn du sie erhältst.”​

  • "Wenn wir nach der Arbeit noch etwas zusammen machen, macht er sich vor deinen Kollegen über dich lustig. Was er sagt, geht manchmal zu weit."

Denke daran ...

Es ist wichtig, sich an die Fakten zu halten. Verharmlose nicht, aber vermeide, den den:die Täter:in stark anzugreifen, wenn es nicht nötig ist. Warum? Denk daran, der:die Täter:in ist immer noch der:die Partner:in der betroffenen Person. Ein Angriff auf den:die Täter:in könnte euch nur entfremden.

Was für Verantwortung?

Was du tun kannst, hängt von deinem Einflussbereich ab, d. h. von deiner Nähe zur betroffenen Person und von deinen eigenen Ressourcen. Als Personalverantwortliche:r oder Vorgesetzte:r hast du vielleicht die Möglichkeit, auf struktureller Ebene zu unterstützen, wie beispielsweise indem Richtlinien eingeführt werden, wer, wann und wie mit der betroffenen Person kommunizieren kann. Das kann so aussehen, dass Anrufe nicht direkt an den:die Betroffene:n durchgestellt werden, sondern erst von der Rezeption entgegengenommen werden. Die Person könnte auch temporär frei gestellt oder weniger stark belastet werden, damit sie sich um ihre privaten Angelegenheiten kümmern kann.

Als Kolleg:in kannst du zum Beispiel Arbeitstermine übernehmen, um der betroffenen Person Beratungsstunden bei einer Fachkraft für häusliche Gewalt zu ermöglichen.

Erkläre dem Opfer, dass die Vertraulichkeit in dem Maße gewahrt wird, wie es zum Schutz des Opfers, des Arbeitsplatzes und anderer Personen erforderlich ist.

Dokumentiere alles, was das Opfer dir mitgeteilt hat, sowie deine Beobachtungen in einem Schreiben an die Person. Abgesehen von der Vermeidung von Lippenbekenntnissen können die Zeiten und Arten des Missbrauchs, die du notiert hast, es der Person erleichtern, später eine Klage gegen den:die Täter:in zu erheben - und auch zu gewinnen.

Warum verweisen?

Es ist wichtig und gut, das Opfer wissen zu lassen, dass du da bist, wenn Hilfe benötigt wird. Darüber hinaus solltest du konkret aufzeigen, was deine und andere Organisationen tun können, um zu helfen. Das Opfer ist sich dieser Möglichkeiten möglicherweise nicht bewusst.

Wenn du möchtest, kannst du auch praktische Unterstützung beim Zugang zu diesen Diensten anbieten, z. B. indem du indem du die Person als mentale Unterstützung zu diesen Terminen begleitest.

Welche Ressourcen / Hilfsleistungen?

Bevor du die Person ansprichst, sollten du dich bei der Personalabteilung über die internen Hilfsleistungen eurer Organisation für Opfer häuslicher Gewalt erkundigen. Gerne kannst du auch einen Blick auf unsere Liste der externen Unterstützungsdienste vor Ort werfen. Im Zweifelsfall kannst auch auch häusliche gewalt hilfe [ort] in deiner Suchmaschine eingeben.

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